Kei Kimura

Geboren 1937 in Yokohama, lebt in Saitama und hat drei Söhne. Sie arbeitete ab 1961 als Englisch-Lehrerin an Oberschulen in Yokohama, Tokyo und Saitama. Seit 2007 ist sie in Pension und widmet sich ihren Hobbys, darunter Noh-Tanz und –Gesang, Kantele spielen (eine Art Zither), Mitgliedschaft in einem Haiku-Verein und in einem „Forest Club“.

 

 

 

Werke

Once upon a time/Es war einmal Fukushima (2012)

 

von Kei Kimura/Maketa Smith-Groves

Briefe und Gedichte zu dieser Katastrophe.

Herausgegeben von Renate & Peter Giacomuzzi, Übersetzungen von Isabelle Esser und Isabella König

 

Seitenanzahl: 152

Preis: € 18

ISBN: 978-3-9503233-5-1

 

e-Book:

ISBN: 978-3-9503233-7-5 Preis: € 13,99

 


Rezensionen

Erika Wimmer: Kei Kimura/Maketa Smith-Groves, Once Upon a Time/Es war einmal FUKUSHIMA Hrsg. v. Peter und Renate Giacomuzzi. Übersetzungen aus dem Englischen von Isabella König Zirl: Edition Baes, 2012

 

Eine Japanerin, eine Amerikanerin, Fukushima und dann auch noch zweisprachig Deutsch-Englisch – mitten in Tirol? Das macht neugierig. Die Welt ist groß und weit – so ein (Süd-)Tiroler Heimatlied. Während dieses Lied aus einer Zeit stammt, in der manchen die große Welt bloß als Kontrast zu ihrer kleinen und vor allem zu ihrer eigenen zu fungieren hatte („das allerschönste Stück davon ist doch die Heimat mein“), wird heutzutage in der Literatur gern so etwas wie Weltoffenheit proklamiert. Aus gutem Grund: die Welt wird kleiner und kleiner. Wir können weltweit ungehindert kommunizieren und uns durch die Lüfte rasch von da nach dort bewegen, wir können andererseits aber auch die großen Katastrophen nicht mehr auf ein und nur ein Gebiet begrenzen. Das Fukushima-Desaster stellt in Once Upon a Time den aktuellen Fokus dar, doch den Herausgebern geht es um etwas Allgemeineres. Und Spontaneinfälle bringen oft interessante Resultate. Renate und Peter Giacomuzzi, die selbst viele Jahre lang in Japan gelebt und gearbeitet haben, schildern in ihrem Vorwort, wie es zu der kleinen Ausgabe kam. Bald nachdem man wieder einmal einen Japanbesuch gemacht hatte, kam es im März 2011 zu einem verheerenden Erdbeben, das Japan langfristig verändern wird: Ein Tsunami zerstörte in Fukushima Reaktoren. Kei Kimura, eine ältere Dame und Freundin der Familie, schickte unter dem Eindruck der nuklearen Bedrohung E-Mails nach Europa, sie schilderte, was geschehen war und weiter geschah, was ihr angesichts des mehr und mehr durchsickernden Ernstes der Lage durch den Kopf ging. Eine sozusagen direkte Information abseits der Medien.

Es waren persönliche, aber keine reinen Betroffenheitstexte, die den Herausgebern da ins Haus flatterten; Texte über den Alltag nach dem Trauma, Reflexionen zum Hintergrund des „Unfalls“; Texte gegen die Ohnmacht, die manchmal auch in philosophischen Überlegungen über Sinn und Unsinn des Weltenlaufs mündeten. Kei Kimuras Freunden gingen die Briefe nahe, sie stimmten nachdenklich. Und dann stand eines Tages, gerade als man dem Abendessen die letzte Würze geben wollte, die afroamerikanische Dichterin Maketa Smith-Groves als Gast in der Küche. Der Einfall kam wie von selbst: Smith-Groves Gedichte und Kimuras E-Mail-Texte in eine Reihe und in einen Zusammenhang zu stellen – gewissermaßen als zwei Seiten einer Medaille – schien nur logisch zu sein. Smith-Groves war eine Autorin, die auf Sätze wie diese eine Antwort geben konnte: „[…] viele von uns spüren irgendwo tief drin, bewusst oder unbewusst, dass wir selbst verantwortlich sind für diesen Unfall, dass wir selbst diese tödliche Kalamität verursacht haben. / Jeden Tag versuche ich, normal zu leben. / Seiltänzer sind wir. Jeden Tag aufs Neue.“ (Kimura, S. 95, 96, 97) „Was – abgesehen vom kulturellen Kontext – unterscheidet mein Leben in Amerika von dem der Burakumin in Japan?“, schreibt Smith-Groves (Burakumin sind eine diskriminierte japanische Minderheit) und führt den Zusammenhang zwischen sogenannten Naturkatastrophen und der weit verbreiteten Diskriminierung bestimmter Ethnien vor (S. 147f). Sie verweist auf den scheinbar unüberwindlichen Spalt zwischen dringend notwendiger Toleranz und weiterhin grassierendem Hass, auf ein Herrschaftsdenken, dessen Folge früher oder später Rücksichtslosigkeit und Gier sei, was schließlich zur unweigerlichen Entwertung ALLER Menschen führe: „Wir nehmen uns, was wir wollen, ohne Rücksicht auf Verluste.“ Kimura und Smith-Groves treten in diesem Buch in einen ungekünstelten Dialog und erweitern das „Thema Fukushima“. Beide Autorinnen sprechen von dem Wissen, dass es da real keine menschliche Macht gibt, dass es letztlich nur dieser „schöne, schwebende Himmelskörper Erde“ ist, der uns weiterhin am Leben erhält. Macht ist konstruiert, ist Illusion. „Der Planet Erde ist mächtig und voller Kraft, aber nicht unendlich.“ (Smith-Groves, S. 149) Wir wissen um die Tatsache, dass wir nur als Partner, nicht als Herrscher überleben können. Die Frage ist nur, ob wir imstande sein werden, das noch rechtzeitig in Handlung zu übersetzen. Doch Kimuras Brieftexte und Smith-Groves Gedichte sind nicht nur Mahnungen, nicht nur Ausdruck politischen Engagements, sie sind auch ganz einfach Literatur, eine Literatur, die eingreifen und erhellend wirken will und doch ästhetisch-literarisch anspricht.

Smith-Groves gehört seit jeher zu jenen Poeten der „Beat-Generation“, die keinen Unterscheid machen zwischen Kunst und Leben oder Kunst und Politik. Auf politische Fragen literarisch zu antworten, war und ist ihnen das Natürlichste. Und so haben es auch die Herausgeber gesehen: „Wir wollten irgendetwas ‚zu Fukushima‘ beitragen und wir haben es in der einzigen Form getan, die wir meinen, uns zutrauen zu können: Wir haben ein Buch gemacht.“ (S. 83) Der Edition Baes ist zu danken, dass sie einmal mehr Randständiges in ihr Programm aufnimmt. Im Literaturbetrieb wird dieses Buch nicht groß auffallen, bei der einzelnen Leserin, dem einzelnen Leser könnte es aber seine Wirkung tun.

 

http://www.uibk.ac.at/brenner-archiv/literatur/tirol/rezensionen/wimmer.html#Kei_Kimura