Foto: c Sigi Portugaller
Foto: c Sigi Portugaller

Johannes Sprenger, geb. 1958 in Innsbruck, ist Komponist, Saxophonist und Musikpädagoge. Er studierte Saxophon und Musiktheorie in München, Innsbruck, Graz und Wien. Zahlreiche Aufenthalte in Ländern des Spätstalinismus der Achtzigerjahre und die daraus resultierenden persönlichen und beruflichen Beziehungen bewirkten eine intensive Auseinandersetzung v.a. mit den vernachlässigten Aspekten der europäischen Geschichte, wie Byzanz oder Kultur und Sprachen Osteuropas, sowie eben mit dem scheinbar „unlösbaren“ Nahostkonflikt. 

Inhalt:Johannes Sprenger, geb. 1958 in Innsbruck, ist Komponist, Saxophonist und Musikpädagoge. Er studierte Saxophon und Musiktheorie in München, Innsbruck, Graz und Wien. Zahlreiche Aufenthalte in Ländern des Spätstalinismus der Achtzigerjahre und die daraus resultierenden persönlichen und beruflichen Beziehungen bewirkten eine intensive Auseinandersetzung v.a. mit den vernachlässigten Aspekten der europäischen Geschichte, wie Byzanz oder Kultur und Sprachen Osteuropas, sowie eben mit dem scheinbar „unlösbaren“ Nahostkonflikt


Alois Schöpf: 

Feinde, die für ihren Hass einander brauchen.

Aspekte des Nahostkonflikts. Ein Appell an das Verantwortungsbewusstsein der Europäer.  Zum Essay von Johannes Sprenger

 

 

Der Nahostkonflikt ist nicht nur ein Krieg der Waffen, sondern vor allem ein Krieg um das überzeugendere Narrativ, die erschütternderen Bilder und die Schilderung der abgründigsten Grausamkeiten. Gilt es doch in gleicher Weise die Bewohner des sogenannten Freien Westens davon zu überzeugen, dass sie, einzementiert in der Schuld, den Holocaust durchgeführt bzw. nicht verhindert zu haben, alles unhinterfragt zu akzeptieren haben, was eine von religiösen Fundamentalisten dominierte israelische Regierung unternimmt, um die vor der Ermordung Unschuldiger nicht zurückschreckende Hamas, wie es so schön heißt, „auszulöschen“. Und gilt es doch andererseits, die arabische Welt durch die Satanisierung all jener Staaten und Kulturen, in denen Aufklärung, Menschenrechte und Demokratie entwickelt wurden, von ihrer Zurückgebliebenheit im geistigen Mittelalter abzulenken und den um jeden neuen Verbündeten glücklichen zwielichtigen Diktatoren wie Putin und Xi in die Arme zu treiben.

 

Woraus folgt: Die Radikalen auf beiden Seiten des Konflikts benötigen einander geradezu, um stets ausreichend Brennmittel des Hasses zur Verfügung zu haben, ein Hass, dem zivile Opfer gleichgültig sind, wenn nur die Flammen der Empörung effektiv und weltweit aus den Fernsehgeräten lodern.

 

All dem hat auch der weihnachtlich konsumgestresste Europäer zuzuschauen. Allabendlich wird er zwischen den Polen des Entsetzens und den Gefahren von Antisemitismus,  Ablehnung der jüdischen Religion einerseits, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie andererseits hin- und hergerissen und speziell in Österreich und in Deutschland in all seiner Verwirrung auch noch von den Gewissensqualen, Nachfahre eines Tätervolks zu sein und daher besser den Mund zu halten, heimgesucht. 

 

So begeistert Menschen sind, die einen Kriminalroman lesen oder im Fernsehen einen Krimi verfolgen, wenn schlussendlich nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen der Täter gefasst wird, um wiederum das Gute in der Welt obsiegen zu lassen, so können sich politisch Interessierte geradezu beglückt fühlen, wenn es, ein absoluter Idealfall, einem Leitartikler, einem Kolumnisten oder eben einem Essayisten gelingt, in das Knäuel einer belastenden Problemlage nicht nur Ordnung zu bringen, sondern zuletzt auch eine klare Diagnose zu entwickeln. Man nie den Meister

 

Und genau dies hat Johannes Sprenger mit seiner lediglich 63 Seiten umfassenden, in der Edition BAES erschienenen Analyse des Nahostkonflikts getan. Und er hat es getan, obgleich er eben nicht der immer ähnlich gepolten Blase der allabendlich kommentierenden, gleichsam pragmatisierten Vordenker und Berichterstatter angehört, sondern ein Komponist, Musiklehrer und Jazzer ist, viel gereist und äußerst belesen. Und er hat es getan,  obgleich er weder aus den Zentren der Medien- und Verlagsmacht, noch unmittelbar aus dem konkreten Ort des Geschehens, sondern aus Zirl in Tirol kommt, wie eben auch ein Herr Kant aus Königsberg  oder ein Herr Meslier aus Mazerny in den Ardennen, was beide nicht daran hinderte, hellsichtig mit den mächtigsten Ideologien ihrer Zeit abzurechnen. Vor allem jedoch hat Johannes Sprenger seine Analyse zu einem Zeitpunkt verfasst, als noch nichts von all dem geschehen war, was heute die Welt in Atem hält. 

 

Und das ist wohl das Überzeugendste an seinen Überlegungen: Dass alles, obgleich er es nicht voraussehen konnte, genauso gekommen ist, wie es gekommen ist und offenbar kommen musste oder sogar kommen sollte, wenn man in Betracht zieht, dass die Pläne der Hamas offenbar schon seit Monaten bekannt waren, jedoch, aus welchen Gründen auch immer, ignoriert wurden.

 

„Gemäß meiner Maxime, dass wir (Europäer) für das Schicksal von Israelis und Palästinensern gleichermaßen Verantwortung tragen, kann und will ich nicht schweigen und lasse mir meinen Protest auch auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden, nicht verbieten.“ (Seite 8)

 

Es ist hier nicht die Aufgabe des Rezensenten, die Argumentationskette eines Buches wiederzugeben, das einen Konflikt behandelt, der, zwar weit entfernt, dennoch ursächlich mit Europa, seiner Geschichte und daher mit uns allen, auch heute Lebenden zusammenhängt, um dem Leser die eigene Lektüre dieses nicht sehr umfangreichen und elegant geschriebenen Essays zu ersparen. Nur die eigene Lektüre kann nämlich für all jene, die am Chaos der täglichen Nachrichten aus Nahost leiden und sich zumindest für sich selbst eine gewisse Klärung erhoffen,  das therapeutische Ziel erreichen: Klarheit und damit die Fähigkeit, sich durch Selbstdenken, wie es Johannes Sprenger vorbildlich vorgemacht hat, selbst ein Urteil zu bilden: Über das Buch bzw. über das, was derzeit in Nahost geschieht.